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Entgrenzungen. Ein europäischer Beitrag zum philosophischen Diskurs über die Moderne

01.06.2009

Autor: Hans Schelkshorn.

Weilerswist: Velbrück 2009.

(basierend auf seiner Habilitationsarbeit von 2006)

680 Seiten
1. Auflage 2009 (gebunden)
2. Auflage 2016 (broschiert)
ISBN 978-3-938808-71-9
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Verlagsinformation:

Im 20. Jahrhundert bilden sich in der euroamerikanischen Philosophie drei paradigmatische Haltungen gegenüber der Moderne heraus: Eine radikale Aufklärungskritik entlarvt das neuzeitliche Denken als ein planetarisch wucherndes Machtsyndrom ohne Auswege aus der Krise weisen zu können (Heidegger, Horkheimer/Adorno, Foucault); die philosophische Postmoderne, die die Moderne auf ein kulturelles Phänomen reduziert, setzt die emanzipatorischen Errungenschaften der Neuzeit aufs Spiel (Rorty, Lyotard); Verteidiger der Aufklärung bestimmen die Moderne als einen vorläufigen Endpunkt eines menschheitlichen Lernprozesses, ohne die kulturimperialistischen Implikationen ihrer Deutung hinreichend zu reflektieren (Habermas).

Vor diesem Hintergrund wird in dieser Arbeit der Versuch unternommen, die Moderne jenseits der Alternative »Vernunft versus Macht« als einen vielschichtigen Prozess von Entgrenzungen zu beschreiben, in dem von Anfang an rationale Durchbrüche und kulturelle Visionen miteinander verschmolzen sind. Den Ausgangspunkt der Analyse bilden die frühneuzeitliche Astronomie und – angestoßen durch die Kolonialismuskritik der lateinamerikanischen Philosophie – die transozeanische Expansion Europas im 15. Jahrhundert. Da Kosmologie und Geographie in der Antike jeweils mit anthropologischen, moralischen und politischen Vorstellungen eng verbunden sind, führen die Entgrenzungen der ptolemäischen Kosmologie und der Ökumenegeographie zu einem umfassenden kulturellen Umbruch, der sich bereits in der Philosophie der Renaissance in einem komplexem Spiel von »Entgrenzungen« manifestiert. So gelangt etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, Nikolaus von Kues noch vor Kopernikus durch eine neue Philosophie des Absoluten zur Vorstellung eines grenzenlosen Universums.

Wie in der Philosophie der Renaissance so sind auch in den philosophischen Grundlegungen moderner Wissenschaft, Politik und Ökonomie jeweils rationale Elemente und kulturelle Perspektiven miteinander vermengt: Bei Francis Bacon verbindet sich das Programm einer experimentellen Naturwissenschaft mit der Vision einer vollständigen Entfesselung der produktiven Kräfte von Mensch und Natur; Thomas Hobbes konstruiert den modernen Staat im Ausgang vom extremen Szenario der universellen Entfesselung der Macht; John Locke gelangt von der Rechtfertigung der Geldwirtschaft zur Idee eines grenzenlosen ökonomischen Wachstums.

Wenn die Moderne zugleich ein Prozess der Aufklärung und ein kulturelles Projekt ist, sind sowohl Proklamationen über das Ende der Geschichte als auch religiöse und säkulare Varianten eines Antimodernismus zu verabschieden. Einen Ausweg aus den verengten Bildern der Moderne, die auch realgeschichtlich in immer neuen Gewaltexzessen aufeinanderprallen, kann nur ein interkultureller Diskurs über die Moderne weisen, in dem alle Kulturen sowohl ihre aufklärerischen Traditionen als auch ihre kulturellen Visionen einbringen.

Cover Entgrenzungen ©Verlag Verlbrück Wissenschaft